Die Hitze drückt unerbittlich auf die Straßen Havannas, doch ein ungewöhnliches Bild prägt das Stadtbild: Viele Bewohner der kubanischen Hauptstadt laufen in Gummistiefeln durch die sonnendurchfluteten Gassen. Der Bolivianische TikToker Jhamil Kaleb Marca Ramos, bekannt als „Kapléx“, dokumentierte auf seiner Reise nach Kuba diesen neuen „Modetrend“ und war verblüfft. Die Reaktionen in den sozialen Medien ließen nicht lange auf sich warten und lösten eine Debatte über die Hintergründe und Bedeutungen dieser ungewöhnlichen Wahl des Schuhwerks aus.

Von der Notwendigkeit zur Mode
Kapléx berichtete in seinem Video über die allgegenwärtigen Gummistiefel und fragte sich, wie diese Wahl zum Trend werden konnte – vor allem angesichts der hohen Temperaturen. Doch die Gründe für diese „Modeerscheinung“ liegen tiefer und haben weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Ursachen. Laut Berichten ist die Wahl der Gummistiefel nicht das Ergebnis eines modischen Statements, sondern eher ein Symbol für die Herausforderungen, die das Leben auf der Insel prägen.
Die wirtschaftliche Krise in Kuba hat dazu geführt, dass es immer schwieriger wird, herkömmliche, haltbare Schuhe zu einem erschwinglichen Preis zu finden. Die wenigen konventionellen Schuhe, die auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind, haben oft Preise, die für den Durchschnittskubaner unerschwinglich sind – oft kosten sie das Mehrfache eines Monatslohns. Die Menschen weichen daher auf günstigere und leicht zugängliche Alternativen aus, und Gummistiefel, die ursprünglich für die Arbeit in der Landwirtschaft oder an regnerischen Tagen gedacht waren, erfüllen diese Funktion nun im Alltag.

Ein kreatives Statement aus der Not heraus
Diese improvisierte Mode wird von einigen Kubanern mit einem kreativen Touch versehen, indem sie die Gummistiefel mit bunten Socken kombinieren. So entsteht ein farbenfroher, individueller Stil, der nicht nur die Funktionalität der Stiefel betont, sondern auch einen gewissen Stolz und Widerstandsgeist ausdrückt. Für einige wird das Tragen der Gummistiefel mit einem persönlichen Stil daher zu einem Akt des Selbstausdrucks inmitten einer schwierigen wirtschaftlichen Lage.
Ein Blick zurück: Eleganz und Stolz in der kubanischen Modekultur
Die YouTuberin Erlinda, die ebenfalls auf den ungewöhnlichen „Trend“ aufmerksam wurde, teilt in ihrem Video eine andere Perspektive. Für sie ist der aktuelle Zustand der Mode in Kuba schwer nachvollziehbar. Sie erinnert an eine Zeit, in der Kubaner großen Wert auf Eleganz legten, immer gepflegt und gut gekleidet waren – eine Tradition, die auch in schwierigen Zeiten bewahrt wurde. Früher war es üblich, dass jeder Kubaner, ungeachtet seiner finanziellen Lage, ein elegantes Erscheinungsbild schätzte. Der Verzicht auf dieses Ideal und das Tragen von Gummistiefeln im Alltag spiegelt für Erlinda einen schmerzhaften Verlust dieser kulturellen Identität wider.

Die Realität hinter der „Mode“
Für viele Kubaner ist das Tragen von Gummistiefeln jedoch keine Entscheidung, die aus modischen Überlegungen heraus getroffen wurde. Wie Diannelis Chavez Mustelier auf Facebook schreibt, geht es schlicht um Notwendigkeit. Die wirtschaftlichen Bedingungen und die Knappheit an Gütern des täglichen Bedarfs zwingen die Menschen, pragmatische Entscheidungen zu treffen – und Gummistiefel bieten eine erschwingliche, praktische Lösung. Mustelier beschreibt, dass die meisten Menschen nur ein oder zwei Paare Schuhe besitzen, die sie sich für besondere Anlässe aufsparen, während sie die Gummistiefel für den Alltag nutzen.
Dieser „Trend“ wird so zum Sinnbild für das Überleben in einem schwierigen Umfeld. Die Gummistiefel bieten Schutz, sind robust und gleichzeitig preiswert – Attribute, die angesichts der wirtschaftlichen Notwendigkeit mehr Bedeutung haben als modische Ästhetik.

Modetrends als Spiegel der Gesellschaft
Der sogenannte Gummistiefel-Trend illustriert nicht nur die wirtschaftliche Situation, sondern reflektiert auch die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der kubanischen Bevölkerung. Die Geschichte Kubas ist geprägt von Epochen der Knappheit, und die Menschen haben gelernt, in Zeiten des Mangels kreativ zu sein. Auch wenn die Gummistiefel ursprünglich nicht für den städtischen Alltag gedacht waren, haben die Kubaner sie mit einem einzigartigen Stil kombiniert und ihnen eine neue Bedeutung verliehen. Die kreative Kombination mit bunten Accessoires verdeutlicht den Einfallsreichtum und die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung.
Für Außenstehende mag die Wahl der Gummistiefel in tropischem Klima verwunderlich erscheinen. Doch aus der Sicht der kubanischen Bevölkerung ist sie ein pragmatischer Ausdruck der Realität und zeigt, wie eng Mode, Kultur und Lebensumstände miteinander verwoben sind. Der neue „Trend“ der Gummistiefel ist damit weniger ein modisches Statement als vielmehr ein ungeschönter Blick auf die alltäglichen Herausforderungen und die kreative Widerstandskraft der kubanischen Bevölkerung.

Eine Diskussion über soziale Medien
Kapléx‘ Video hat nicht nur internationale Aufmerksamkeit erregt, sondern auch Diskussionen in den sozialen Medien angestoßen. Viele Nutzer sehen in den Gummistiefeln weniger einen Trend als vielmehr ein Symbol für die sozialen und wirtschaftlichen Probleme, mit denen Kubaner täglich konfrontiert sind. Doch die Resonanz zeigt auch, wie das Thema Mode eine Brücke schlagen kann zwischen verschiedenen Kulturen und sozialen Realitäten.
Die Diskussionen über die Gummistiefel verdeutlichen, wie unterschiedlich Mode interpretiert werden kann – als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit oder als Zeichen der Anpassung an äußere Umstände. In Kuba wird Mode nicht nur durch ästhetische Vorlieben, sondern auch durch Notwendigkeit und Einfallsreichtum geprägt.

Fazit: Wenn Mode zur Überlebensstrategie wird
In Kuba hat sich eine „Mode“ entwickelt, die keine typischen modischen Beweggründe hat. Gummistiefel auf den Straßen Havannas sind weniger ein Trend als ein Ergebnis der aktuellen wirtschaftlichen Situation. Sie stehen symbolisch für eine Gesellschaft, die sich immer wieder anpasst und ihren kreativen Ausdruck selbst in widrigsten Bedingungen bewahrt. Für die Kubaner sind die Gummistiefel ein Zeichen des Widerstands und der Resilienz – ein Beweis dafür, dass Not manchmal die kreativsten Lösungen hervorbringt.
